Relative Intensität
Gliederung
- Was ist relative Intensität?
- RPE vs. RIR
- Wie nutze ich relative Intensität?
Was ist relative Intensität?
Relative Intensität beschreibt wie anstrengend ein Satz für dich war. Damit grenzt sich die relative Intensität von der absoluten Intensität ab. Wie du vielleicht schon weißt, gibt die absolute Intensität indirekt ein Gewicht bzw. eine Wiederholungszahl an. Zudem bezieht sich die absolute Intensität auf deine Maximalkraft und wird in Prozent angegeben. Beispielsweise sind 80% absolute Intensität bei einer beliebigen Übung 160kg, wenn deine Maximalkraft in dieser Übung bei 200kg liegt. Die absolute Intensität ist also ebenfalls eine Möglichkeit, um das Training bzw. die im Training zu bewegenden Gewichte zu planen. Jedoch bezieht die absolute Intensität nicht die Tagesform mit ein, die erheblichen Einfluss auf die Performance haben kann. Hier kommt die relative Intensität ins Spiel. Damit kann man Leistungsschwankungen mit einberechnen und das somit jedes Training an die Tagesform anpassen. Wie der Name schon vermuten lässt, ist die relative Intensität nicht ganz so einfach zu bemessen. Es braucht ein wenig Übung, um damit effektiv arbeiten zu können, aber diese Übung kriegst du schnell. Mit der relativen Intensität beurteilst du jeden Satz, nachdem du ihn ausgeführt hast, danach wie schwer er sich für dich angefühlt hat. Diese Beurteilung findet auf einer Skala statt, wofür es zwei verschiedene und eigentlich doch gleiche Methoden gibt: RPE und RIR
RPE vs. RIR
Nachdem du einen Satz ausgeführt hast, überlegst du dir, wie viele Wiederholungen du mit diesem Gewicht noch geschafft hättest, bis deine Ausführung sich erheblich verschlechtern würde. Es zählen also nur technisch saubere Wiederholungen. Ein Hochkrüppeln beim Kreuzheben ist keine saubere Wiederholung 😉
Oftmals schätzt man seine Kraft und die Anstrengung subjektiv anders ein, als man es objektiv betrachtet tun würde. Deshalb ist es sinnvoll gelegentlich mal einen Satz mit dem Handy zu filmen oder von wem anders filmen zu lassen, um sich im Nachhinein den Satz nochmal auf Video anschauen zu können. Nicht selten kommt es vor, dass man danach seine Meinung nochmal ändert und den Satz doch als leichter einstuft, als man zunächst dachte. Hierbei ist vor allem der Barspeed, also wie schnell sich die Hantel bei den letzten Wiederholungen noch bewegt, entscheidend. Dabei gibt es allerdings auch verschiedene Typen Mensch. Bei dem einen bewegt sich die Hantel schon 5 Wiederholungen vor dem Muskelversagen super langsam, beim nächsten fliegt die Hantel bei der vorletzen Wiederholung vor dem Muskelversagen noch förmlich nach oben und bei der letzten bleibt sie dann fast stehen. Da musst du dich selbst ein wenig kennen lernen, um dich einschätzen zu können.
Die beiden Skalen bedeuten folgendes:
Rate of Perceived Exertion (RPE):
RPE 10 = keine weitere Wiederholung möglich
RPE 9,5 = vielleicht noch eine Wiederholung möglich
RPE 9= eine weitere Wiederholung noch möglich
RPE 8,5 = eine, vielleicht noch zwei weitere Wiederholungen möglich
RPE 8 = zwei weitere Wiederholungen noch möglich
RPE 7,5 = zwei, vielleicht noch drei weitere Wiederholungen möglich
und so weiter
Reps in Reserve (RIR):
0 RIR = keine weitere Wiederholung möglich
0-1 (0,5) RIR = vielleicht noch eine Wiederholung möglich
1 RIR = eine weitere Wiederholung noch möglich
1-2 (1,5) RIR = eine, vielleicht noch zwei weitere Wiederholungen möglich
2 RIR = zwei weitere Wiederholungen noch möglich
2-3 (2,5) RIR = zwei, vielleicht noch drei weitere Wiederholungen möglich
und so weiter
Was dir möglicherweise helfen kann deine Einschätzung präziser zu gestalten ist, wenn du – natürlich unter sicheren Bedingungen (ggf. Spotter und Safety-Pins) – mal in einigen Übungen einen AMRAP machst, also einen Satz komplett bis ans Muskelversagen. Bis keine Wiederholung mehr möglich ist. Sowas ist bei Übungen wie dem Beinstrecker oder Seitheben o.Ä. natürlich kein großes Problem, bei komplexen Übungen hingegen sollte man sich allerdings gut absichern und bereits sicher in der Übungsausführung sein, da es ansonsten schneller zu Verletzungen kommen kann.
Wie nutze ich relative Intensität im Training?
Diese Bewertung mit einer Skala ist ja schön und gut. Aber du fragst dich jetzt wahrscheinlich: Was bringt mir das denn?
Nun, wie eingangs schon erwähnt, ist die relative Intensität (RI) eine Möglichkeit das Training zu planen. Über den Verlauf eines Mesozyklus steigt die RI an und ermöglicht somit, dass die Trainingseinheiten zu Beginn des Zyklus zwar schon schwer sind, jedoch nicht so schwer, dass man frühzeitig ausbrennt. Das würde bedeuten, dass man bereits zur Hälfte des geplanten Mesozyklus zu viel Ermüdung angehäuft hat und dass die Leistung einbricht. In diesem Fall müsste man früher als geplant einen Deload einlegen, um diese Ermüdung wieder abzubauen. Da wir aber möglichst lange und effektive Akkumulationsphasen haben wollen, bedienen wir uns der Belastungssteuerung durch RI. Während die RI zu Beginn eines Mesozyklus noch niedrig ist (3-4 RIR bzw. RPE 6-7), steigt sie über die Wochen langsam an bis sie in der Woche vor dem Deload kurz vor oder am Muskelversagen ist. Dabei muss man natürlich zwischen Übungen unterscheiden. Komplexe Übungen wie beispielsweise eine Kniebeuge sollten wirklich nur, wenn du bereits sehr erfahren bist, bis zum Muskelversagen ausgeführt werden. Bist du noch nicht so erfahren, dann lass lieber immer noch eine Wiederholung im Tank.
Bei Übungen, die kleinere Muskelgruppen beanspruchen, welche schnell wieder regenerieren, kannst du durchaus auch ans Muskelversagen gehen bzw. sie generell mit leicht höherer RI trainieren, als komplexe Verbundübungen.
Hier siehst du ein Beispiel, wie ein Mesozyklus aussehen könnte, der mit RI geplant ist. Dabei ist die Kniebeuge repräsentativ für komplexe Verbundübungen und der Bizepscurl repräsentativ für Isolationsübungen bzw. Übungen für kleinere Muskelgruppen, die eine unwesentliche Rolle für die komplexen Übungen darstellen (Bizeps, seitliche Schulter, Waden, (Bauch)).
Woche 1
Kniebeuge: 4 RIR
Bizepscurl: 3 RIR
Woche 2
Kniebeuge: 3 RIR
Bizepscurl: 2-3 RIR
Woche 3
Kniebeuge: 2-3 RIR
Bizepscurl: 2 RIR
Woche 4
Kniebeuge: 2 RIR
Bizepscurl: 1-2 RIR
Woche 5
Kniebeuge: 1 RIR
Bizepscurl: 0-1 RIR
Woche 6 – Deload
Kniebeuge: 4-5 RIR
Bizepscurl: 3-4 RIR
Wichtig: Das ist nur ein Beispiel. Natürlich gibt es diverse Arten die RI zu planen.
Wie viel Ermüdung angehäuft wird, richtet sich nach verschiedenen Faktoren. Zum einen natürlich die Übung. Eine Kniebeuge beansprucht wesentlich mehr Muskelmasse als ein Bizepscurl. Dementsprechend häuft sie auch mehr Ermüdung an. Dann spielt natürlich auch das bewegte Gewicht eine Rolle, welches bei der Kniebeuge mit Sicherheit höher ist, als beim Bizepscurl.
Generell sollte man sich in seinem Training in fast jedem Fall zwischen 0 und 4 RIR bzw. zwischen RPE 6 und 10 aufhalten. Den Grund dafür bildet die sogenannte Stimulus-Fatigue-Ratio, also das Verhältnis von Reizsetzung zu Ermüdungsaufbau. Im Großen und Ganzen bedeutet das, dass ein kleiner Reiz für den Muskelaufbau auch nur wenig Ermüdung aufbaut. Ein sehr großer Reiz baut aber auch sehr viel Ermüdung auf. Wir müssen unser Training also sinnvoll strukturieren, damit wir einen guten Kompromiss haben zwischen gesetztem Reiz und angehäufter Ermüdung. Trainieren wir durchgehend mit RI´s, welche nur einen sehr geringen Reiz für den Muskelaufbau liefern, also beispielsweise immer mit 4-5 RIR, dann werden wir nur sehr mühselig Fortschritte machen. Trainieren wir hingegen sofort und immer nah am Limit, dann haben wir zwar einen sehr großen Stimulus gesetzt für den Muskelaufbau, sammeln gleichzeitig aber auch immens viel Ermüdung, welche wir bereits nach wenigen Wochen wieder durch einen Deload abbauen müssen, weil ansonsten unsere Leistung drastisch einbrechen würde. Aus diesem Grund steigt man in einen Mesozyklus mit verhältnismäßig geringer RI ein, die bereits einen gewissen Reiz bildet, jedoch nicht stark ermüdet. Im Laufe des Zyklus steigt die RI bis sie in der Woche vor dem Deload am größten ist. Hier kann die aufgebaute Ermüdung ruhig sehr groß sein, denn es steht ja sowieso in ein paar Tagen eine Phase des Ermüdungsabbaus an. Nur Vorsicht: Durch hohe Ermüdung ist auch das Verletzungsrisiko etwas höher, deshalb jetzt nicht übermütig werden und alles rausholen wollen auf Kosten der Technik. Immer daran denken: Relative Intensität bezieht sich auf die noch machbaren, technischen sauberen (!) Wiederholungen.